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Die letzten öffentlichen Telefonstationen verschwinden aus dem Gladbecker Stadtbild

1881 stand der erste „öffentliche Fernsprecher“ in Berlin. Wann das erste Sprechhäuschen nach Gladbeck kam, ist nicht mehr bekannt. Von den Vorkriegsmodellen ist schon sehr lange kein Exemplar mehr zu sehen, auch von den postgelben „Telefonhäuschen“ vom Typ „FEH-78“, hergestellt von der Firma Wilhelm Quante (Wuppertal-Elberfeld), die lange Jahre unser Stadtbild prägten, mussten die Gladbecker schon vor längerer Zeit Abschied nehmen. Das „Modell 78“ ist erkennbar durch jeweils zwei Fenster (einschließlich der Tür) an den drei Seiten. Auffällig: Die Fensterflächen sind an den Ecken abgerundet. Schmuckloser sind dagegen die fast identischen, gelben Modelle FeH53 und FeH55 mit drei durchgehenden Fensterflächen, auch diese Fernsprechhäuschen gab es in Gladbeck.

Damals achtete die Bundespost bei der Konstruktion der einen Meter breiten Gehäuse darauf, dass der Telefonkunde ungestört telefonieren konnte, denn viele Mitbürger wollten nicht, dass andere Leute das Gespräch mithören konnten. Das hat sich mittlerweile extrem geändert, wir müssen erleben, dass Gespräche „lautstark und öffentlich“ sind, egal in welcher Sprache: Deutsch, türkisch, arabisch, kurdisch usw. – ob wir wollen oder nicht, wir hören ungefragt mit, im Bus, der Bahn, in Einkaufszentren oder in Restaurants - damals unvorstellbar!

Die Konkurrenz mit den privaten Telefonapparaten beschleunigte sich (auch in Gladbeck) in den Siebziger Jahren. Nach Moped, Kühlschrank, Fernseher und Auto gehörte auch ein Wählscheibenapparat mit langer Schnur zum Lebensstandard. Bis 1984 gab es im Bundesgebiet 130.000 Telefonzellen. Die meisten bundesdeutschen Modelle setzte die Post und der Nachfolger Telekom übrigens hier in den Großraum Rhein-Ruhr! Ein Ortsgespräch kostete zwei Groschen, bei Ferngesprächen sollte weiteres Kleingeld dabei sein. Unangenehm verlief es, wenn es gerade mit der Verbindung klappte und ein weiterer „Kunde“ an den Hörer wollte. Der klopfte dann ungeduldig an die Scheibe. Deshalb klebte die Post den Aufkleber „fasse Dich kurz“ in die Zellen. Weitere Negativerlebnisse tauchten auf, wenn beispielsweise ein rücksichtsloser Mitbürger (aus welchen Gründen auch immer) den Telefonhörer gebrauchen konnte. Da halfen auch nicht die roten Aufkleber: „Dieses Telefon kann Leben retten, zerstört es nicht!“ Gegen diese „Andenkenjäger“ gab es später einen Metallschutz für die Hörerschnur.

Diese letzten, geschlossenen Telefonzellen vom Telekom-Typ FEH-90 wurden in Gladbeck montiert und warteten auf der Möllerstraße auf ihr Auslieferung.

Nach „den Gelben“ kamen die „Mausgrauen!“ Diese immer noch geschlossenen „Quasselbuden“ mit der internen Bezeichnung „FEH-90“sind erkennbar an der der magentafarbenen Dachleiste. Eine technische Veränderung kam dazu: Die Rufanwahl erfolgte jetzt über einen Drucktastenwählbereich und gegen „böse Buben“ gab es auch einen Schlitz für Telefonkarten. Das sollte die Aufbrüche der internen Kleingeldsammelstelle verhindern. Telefonkarten? Diese Geldersatzkarten mit dem eingearbeiteten Geldchip sind ebenfalls schon Geschichte und im Handel nicht mehr erhältlich, obwohl sich bei deren Markteinführung viele Firmen darum rissen, sie als Werbeträger zu verwenden, sogar der Papst wurde segnend auf der Frontseite abgebildet. Es bildete sich dadurch auch eine neue Gruppe, die Telefonkartensammler!

Auch diese Telekom-Zellengehäuse sind mittlerweile Geschichte, denn Ende der Achtziger Jahre montierte die Telekom neue und offene Basistelefonstationen. Durch das kleine Glasdach und den ebenso sparsamen Windschutz nicht ganz so wetterdicht wie die Vorgänger. Diese Telefonstationen eigneten sich auch für Rollstuhlfahrer-/Fahrerinnen.

Noch vier dieser „öffentlichen Telefonstationen der letzten Bauart“ finden sich in der Innenstadt: Eine steht vor dem CityCenter-Eingang, dann noch jeweils eine öffentliche Telefoniermöglichkeit vor dem Barbara-Krankenhaus. Im Eingang der Rentforter Straße steht auch eine, vom Rathaus aus gesehen, dazu kommt der Bereich Hochstraße und Postallee. Ach ja, der Rathaus-Willy-Brandt-Platz, dort stand sie zwischen dem historischen Gebäude und den Bürotürmen (siehe Foto). Die Türme sind abgerissen, die Telefonsäule ebenfalls!

Und wer kann sich an dieses Modell noch erinnern?: Auffallend durch die rote Farbe mit vielen kleinen Glasflächen, es sind die berühmten, englischen Telefonzellen! So ein Exemplar (Typ K6) stand im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen Enfield und Gladbeck lange Jahre auf dem Goetheplatz. Was ist mit ihr passiert? Vermutlich mehrfach beschädigt, von Sprayern gnadenlos beschmiert und später leider „entsorgt!“ Wir bitten da um Aufklärung!

Die postgelben Häuschen und ihre mausgrauen Nachfolger erwarben einige Privatleute und bauten sich daraus eine Gartendusche oder ein Gewächshaus. Wer noch eine haben möchte? Gebraucht kosten „die Gelben“ zwischen 1.500 und 2.000 Euro, dazu kommen noch die Montage- und Transportkosten, so ein Häuschen wiegt immerhin 300 Kilogramm!

Einige Stadtverwaltungen wehrten sich gegen den Abbau und ließen sie stehen, sie dienen oft als Angebotsschrank für kostenlose Gebrauchtbücher oder für Touristeninformationen. An vielen Telefonhäuschen kleben noch gute Erinnerungen, hier ein Beispiel: „Dort in dieser Telefonzelle auf dem Marktplatz Rosenhügel telefonierte ich zum ersten Mal mit meiner damaligen Freundin. Sie ist heute meine Frau und wir haben vier Kinder!“ 

Der Krimi „Nicht auflegen“ aus dem Jahr 2003 spielte fast nur in einer Telefonzelle – und im Hitchcock-Film „die Vögel“ rettete sich die Hauptdarstellerin vor dem aggressiven Gefieder in eine Telefonzelle.

Noch mehr Interesse an der Entwicklung der deutschen Telefonzellen? Hier ein lesenswertes Taschenbuch: „Schörle/Eine kleine Geschichte der Telefonzelle“, erschienen im Buch+Bild-Verlag.

Irgendwann ist es also vorbei mit den „Öffentlichen“, die Handys haben gewonnen! Und was machen dann die „Handyverweigerer“, Senioren, die ebenfalls kein Handy wollen und Mitbürger, die sich aus finanziellen Gründen kein Mobiltelefon leisten können?

Text und Fotos: Peter Braczko